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E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich – werden Systeme für die automatische Rechnungseingangsbearbeitung überflüssig?

Zum Thema E-Rechnungspflicht erreichen uns immer öfter Kundenanfragen hinsichtlich des Vorhabens des Bundesfinanzministeriums (BMF) im B2B-Bereich ab dem 01.01.2025 das Ausstellen und den Empfang von E-Rechnungen verbindlich vorzuschreiben. Neben allgemeinen Fragen zum Sachverhalt wird häufig auch hinterfragt, ob Systeme für die automatische Rechnungseingangsbearbeitung / Invoicing überhaupt noch Sinn machen, da das Ende der Papierrechnungen im Geschäftsumfeld nun doch absehbar wäre. Zur Beantwortung der Frage ist es wichtig, sowohl die Inhalte des Vorhabens als auch die Funktionsweise moderner Lösungen zu betrachten.

Hintergründe und Vorhaben des Bundesfinanzministeriums (BMF) zum Thema E-Rechnungspflicht

Die EU-Kommission hat die Initiative „VAT in the Digital Age“ (ViDA) initiiert. Diese beschäftigt sich mit der Modernisierung des Mehrwertsteuersystems in Europa. Ziel ist es, das System der Mehrwertsteuer zu vereinfachen und den Schutz vor möglichem Mehrwertsteuerbetrug zu erhöhen. Neben der elektronischen Meldepflicht sowie einheitlichen EU-weiten Vorgaben für die Registrierung der Mehrwertsteuer, soll die elektronische Rechnungsstellung im Sinne von E-Rechnungen für alle grenzüberschreitenden Umsätze in der EU ab dem 01.01.2028 verpflichtend werden.

Das BMF beabsichtigt darüber hinaus die E-Rechnungspflicht im Sinne von E-Rechnungen innerhalb von Deutschland ab dem 01.01.2025 einzuführen. Betroffen sind nur inländische B2B-Umsätze zwischen Unternehmen, die in Deutschland ansässig sind. Hierzu hat das BMF bereits einen Diskussionsentwurf an Wirtschaftsverbände geschickt. Inzwischen wurden die Vorschläge in den Referentenentwurf des Wachstumschancengesetzes übernommen und zum Teil konkretisiert. In diesem Zuge wurden auch Übergangsfristen definiert: So können bis zum 31.12.2025 weiterhin auch Rechnungen in anderen Formaten (Papier, PDF etc.) gestellt werden. Zudem dürfen für Umsätze bis Ende 2027 nach Absprache der Geschäftspartner weiterhin EDI-Verfahren verwendet werden. Ab dem 01.01.2028 müssen dann alle E-Rechnungen entsprechend der CEN-Norm 16931 gestellt werden. Ausgenommen sind Rechnungen mit sehr kleinen Beträgen und Fahrtickets – diese dürfen nach wie vor auch in Papierform gestellt werden. Zum aktuellen Zeitpunkt (Stand Mitte August 23) ist das Gesetz noch nicht verabschiedet. Unabhängig von dem Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung und der genauen Ausgestaltung ist abzusehen, dass die elektronische Rechnungsstellung im Sinne von E-Rechnungen verbindlich innerhalb von Deutschland und für grenzüberschreitende Leistungen in der EU kommen wird.

Systeme für die automatische Rechnungseingangsbearbeitung

Moderne Lösungen für die automatische Rechnungseingangsbearbeitung besitzen verschiedene Werkzeuge für die Umsetzung des Szenarios. Am Anfang des Prozesses werden die Rechnungen erfasst. Papierrechnungen werden dabei gescannt und digitalisiert, bereits in elektronischen Formaten vorliegende Rechnungen werden in das System importiert.

Abhängig von dem Rechnungsformat durchlaufen die Rechnungen unterschiedliche Aufbereitungsstufen. Gescannte Papierrechnungen und Rechnungen in Bildformaten werden mittels Texterkennungskomponenten (OCR) analysiert und der Volltextindex erstellt. Dieser ist Grundlage für die weitere Verarbeitung. Bei PDF-Rechnungen dagegen ist der Volltextindex in der Regel schon vorhanden, diese müssen nicht der Texterkennung unterzogen werden. Die Analysekomponente liest die fakturierungsrelevanten Informationen (Rechnungsdatum, Lieferantenstammdaten, Beträge etc.) von den Rechnungen aus und legt diese in einem strukturierten Datensatz ab, welcher Grundlage für die inhaltliche Bearbeitung ist. Im Falle von Unsicherheiten oder Extraktionsfehlern sendet die Analysekomponente die betroffenen Rechnungen an einen Nachbearbeitungsplatz zur manuellen Korrektur. Elektronische strukturierte Rechnungen (z. B. XRechnungen) müssen weder von der OCR noch der Analysekomponente verarbeitet werden, da diese die rechnungsrelevanten Informationen schon als strukturierte Datensätze zur Verfügung stellen, wodurch eine direkte Verarbeitung möglich ist.

Im Rahmen der inhaltlichen Bearbeitung werden die Rechnungen sowie die Rechnungsdaten an die führenden Lösungen übergeben. Die Mitarbeitenden aus dem Finanzbereich sehen über das Rechnungseingangsbuch / den Rechnungsmonitor eine Übersicht aller eingegangenen Rechnungen. Pro Rechnungen werden wichtige Rechnungsinformationen und der Verarbeitungsstatus angezeigt. Die Prüfung der Rechnungen erfolgt digital über Workflow-Tools. Diese steuern die Prozesse, können automatisch Prüfschritte umsetzen und die Mitarbeitenden als Prüfer einbinden. Bei Rechnungen ohne Bestellbezug erfolgt die Prüfung im Standard über die verantwortlichen Mitarbeitenden. Bei Rechnungen mit Bestellbezug kann bei positiven automatischen Prüfungen (Rechnungskonditionen und Mengen entsprechen den Bestellkonditionen und die Waren / Dienstleistung wurde im Wareneingang erfasst) eine voll automatische Verbuchung vorgenommen werden, alternativ kann natürlich auch noch ein Mensch die finale Prüfung vornehmen. Im Falle von Abweichungen (z.B. Bestellpreis entspricht nicht dem Rechnungspreis) löst das System Klärworkflows aus, welche die entsprechenden Mitarbeitenden (z.B. Einkäufer bei Preisabweichungen) adressiert. Am Ende der Prozessbearbeitung erfolgt die Verbuchung oder die Ablehnung der Rechnung.

Die E-Rechnungspflicht kommt im B2B-Bereich

Die E-Rechnungspflicht kommt

Auswirkungen von ViDA und nationalen Initiativen auf die automatische Rechnungseingangsbearbeitung

Die ViDA-Initiative hat (unter anderem) zum Ziel, dass ab dem Jahr 2028 nur noch E-Rechnungen im grenzüberschreitenden B2B-Geschäftsumfeld in der EU zulässig sind. Das BMF strebt ab 2025 ein Pflicht für E-Rechnungen für Inlandsumsätze zwischen in Deutschland ansässigen Unternehmen an, gewährt aber voraussichtlich Übergangsfristen. Was bedeutet das nun für die Effizienz von Lösungen für die Rechnungseingangsbearbeitung und den entsprechenden Softwaremarkt? Machen die Systeme dann überhaupt noch Sinn?

Ja, der Einsatz von modernen Systemen für die Rechnungseingangsbearbeitung bringt auch im Zusammenhang mit E-Rechnungen große Vorteile. Lediglich auf der Eingangsseite und den entsprechenden Aufbereitungsschritten ergeben sich durch den Wegfall von Papier und PDF-Rechnungen Änderungen. E-Rechnungen enthalten strukturierte Datensätze – es ist somit nicht mehr notwendig eine Texterkennung und eine Inhaltsextraktion durchzuführen. Allerdings müssen E-Rechnungen genau wie alle anderen Rechnungen inhaltlich überprüft werden. Die strukturierte Übermittlung garantiert lediglich, dass es keine Interpretationsfehler bezüglich der übermittelten Rechnungsdaten gibt, aber nicht, dass die Rechnungsinhalte automatisch korrekt sind. Für die inhaltliche Prüfung bieten moderne Systeme ausgereifte Werkzeuge wie Workflows, Korrespondenzmanagement und die Rechnungsmonitore an.

E-Rechnungen helfen bei der Beschleunigung der Prozessbearbeitung und eliminieren mögliche Fehlerquellen bei der Erfassung und Analyse der Rechnungsinhalte, wodurch sich in Kombination mit modernen Lösungen für das Input Management der Automatisierungsgrad weiter steigern lässt.

Macht ein Projektstart dann aktuell Sinn?

Immer wieder werden wir mit der Überlegung von Interessenten für Lösungen für das Invoicing konfrontiert, Projekte aktuell nicht durchzuführen und darauf zu warten, dass die E-Rechnungspflicht im B2B-Umfeld kommt. Natürlich kann man überlegen, das Projekt zeitlich weiter in der Zukunft zu terminieren, allerdings verzichtet man dann auf die vielen Vorteile, die moderne Lösungen den Unternehmen bieten. Gerade die digitale und systemgestützte Umsetzung der Bearbeitungsprozesse sowie die Einführung der weiterführenden Werkzeuge für die Finanzbuchhaltung sind komplett unabhängig von den Eingangsformaten der Rechnungen und benötigen im Rahmen der Konzeptionsphase auch die meiste Zeit. Insofern macht es grundsätzlich schon jetzt Sinn die Projekte zu starten – nur das anteilige Volumen der Eingangsformate wird sich ändern.

Tipps für Bestandskunden und Interessenten für moderne Lösungen für die automatische Rechnungseingangsbearbeitung

Was bedeutet die E-Rechnungspflicht konkret für Kunden und Interessenten von Lösungen für das Invoicing und welche Aspekte sind dabei zu beachten?

Bestandkunden sollten mit den Anbietern ihrer Lösung sprechen und klären, ob die Adapter / Module zur Erfassung und Verarbeitung von E-Rechnungen schon lizensiert und ggf. auch installiert wurden. Falls nicht, soll hier das Vorhaben frühzeitig geplant und zusammen mit dem Anbieter der Lösung ein entsprechendes Teilprojekt terminiert werden. Zudem sollte kritisch das lizensierte Extraktionsvolumen betrachtet werden – also die maximale festgelegte Anzahl von Rechnungen, die pro Jahr im Rahmen der Inhaltsanalyse verarbeitet werden kann. Sobald die E-Rechnungen im B2B-Umfeld verpflichtend werden, sinkt das Volumen, das über diese Komponente verarbeitet wird, drastisch. Hier sollte man rechtzeitig abklären, ob man das lizensierte Volumen reduzieren kann oder ob eventuell eine Verrechnung der gezahlten Lizenzen mit anderen Leistungen erfolgen kann.

Unternehmen, die aktuell ein Projekt durchführen oder in Kürze die Projektumsetzung beginnen, sollten frühzeitig das Thema E-Rechnungen und die zu erwartenden Vorgaben im Rahmen der Gesetze im Projekt adressieren und mit den Anbietern besprechen. Zudem sollte mit dem Anbieter ausgehandelt werden, dass das lizensierte Volumen für die Extraktionskomponente angepasst werden kann, sobald die E-Rechnung flächendeckend und verpflichtend im B2B-Umfeld Anwendung finden. So wird ein schneller und aufwandarmer Übergang gewährleistet.

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Über den/die Autor:innen

Michael Schiklang