Die Wende zeichnet sich ab
Lange galt in der IT-Strategie eine klare Richtung: in die Cloud. Die vollständige Migration schien unausweichlich. Neue Forschungsergebnisse von BARC zeigen nun eine deutlichen Trendwechsel. Eine aktuelle Studie zur zur praktischen Umsetzung von Datensouveränität belegt, dass 19 % der Unternehmen ihre Investitionen in On-Premises-Systeme erhöhen wollen, während weitere 13 % ihre Cloud-Migration verlangsamt oder ganz gestoppt haben.
Diese Entwicklung ist kein Rückschritt, sondern Ausdruck einer reiferen und ausgewogeneren Architekturstrategie. Der entscheidende Treiber i sind nicht die Kosten, sondern die Kontrolle. Unternehmen sehen sich mit immer komplexeren Regulierungen und geopolitischen Unsicherheiten konfrontiert – Datensouveränität ist damit zur geschäftskritischen Notwendigkeit geworden.
BARC definiert Datensouveränität als die Fähigkeit einer Organisation, ihre Daten vollständig zu kontrollieren – einschließlich Speicherort, Verarbeitung und Zugriff. Dabei muss sie die rechtlichen und regulatorischen Anforderungen der jeweiligen Rechtsräume erfüllen. Der Schritt zu hybriden Cloud-Modellen (einer Kombination aus Public und Private Cloud) ist eine direkte Antwort auf die strategische Notwendigkeit, diese Kontrolle zurückzugewinnen.
Die vier zentralen Treiber der Datensouveränität
Der Trend zu hybriden Strategien beruht nicht auf einem einzelnen Faktor, sondern auf einem Zusammenspiel mehrerer äußerer Einflüsse. Während geopolitische Unsicherheit ein wesentlicher Aspekt ist, zeigt die BARC-Studie, dass vor allem greifbarere Herausforderungen ausschlaggebend sind.
Auf Basis der Daten von 300 Unternehmen identifiziert die Studie vier Schlüsselfaktoren, die das Thema Datensouveränität auf die Agenda der Führungsetagen gebracht haben:
- Neue gesetzliche und regulatorische Anforderungen (69 %). Der wichtigste Treiber ist die komplexer werdende Gesetzgebung. Vorschriften wie die EU-DSGVO, die NIS2-Richtlinie und der kommende AI Act definieren strenge Regeln für den Umgang mit Daten und zwingen Organisationen, Architekturen zu schaffen, die Compliance technisch und organisatorisch gewährleisten.
- Politische Entwicklungen in den USA (46 %). Fast die Hälfte der Befragten nennt geopolitische Faktoren – insbesondere den US-amerikanischen CLOUD Act – als wesentlichen Einfluss. Dieser verunsichert Unternehmen erheblich und zwingt sie, die Datenspeicherung in Rechtsräumen zu überdenken, in denen sie potenziell dem Zugriff ausländischer Behörden ausgesetzt sind.
- Cybersicherheit (42 %): Die stetig wachsende Bedrohung durch Cyberangriffe ist ein weiterer starker Antrieb. Indem sie kritische Daten zurückführen, wollen Unternehmen ihre Abwehrkräfte stärken und ihre wertvollsten digitalen Assets besser schützen.
- Abhängigkeit von Public-Cloud-Anbietern (40 %): Viele Unternehmen sehen die strategische Abhängigkeit von einer kleinen Zahl großer Hyperscaler zunehmend kritisch. Dabei geht es nicht nur um „Vendor Lock-in“, sondern auch um mangelnde Flexibilität und die potenzielle Einflussnahme der US-Regierung – Gründe, die den Trend zu ausgewogenen, hybriden Modellen verstärken.
Die übergeordnete Strategie
Angesichts dieser regulatorischen, geopolitischen und sicherheitsrelevanten Herausforderungen zeichnet sich am Markt eine eindeutige Strategie ab. Laut BARC-Studie ist die mit Abstand häufigste Maßnahme die Stärkung einer hybriden Cloud-Strategie, die 51 % der befragten Unternehmen aktiv verfolgen.

Dieser Ansatz steht für eine ausgewogene Strategie, die die Skalierbarkeit und Innovationsgeschwindigkeit der Public Cloud mit der Sicherheit und Kontrolle einer On-Premises- oder Private-Cloud-Infrastruktur verbindet. Eine erfolgreiche Implementierung erfordert jedoch mehr als nur technische Anpassungen. Sie verlangt, disziplinierter mit den Daten selbst umzugehen
Deshalb suchen Unternehmen nach Wegen, etablierte Konzepte gezielt weiterzuentwickeln, um Governance und Kontrolle über verteilte Systeme hinweg sicherzustellen. Eines dieser Konzepte, das in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist das Datenprodukt.
Damit entsteht allerdings eine neue Ebene der Komplexität, da viele Unternehmen bereits damit ringen, das Datenprodukt-Konzept operativ umzusetzen. Der Fokus auf Datensouveränität erfordert, die Umsetzungsstrategien an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.
Fazit und Ausblick
Die Erkenntnis, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen ihre hybride Cloud-Strategie ausbauen will, markiert einen Wendepunkt in der Entwicklung der Unternehmens-IT. Sie steht für die Abkehr von einer „Cloud-only“-Ideologie hin zu reiferen, balancierten Architekturen, die Innovationskraft und Kontrolle in Einklang bringen.
Dies ist kein Rückschritt, sondern eine strategische Neuausrichtung auf Basis einer realistischen Einschätzung der aktuellen regulatorischen und geopolitischen Lage.
Eine übergeordnete Strategie ersetzt jedoch noch keine Umsetzungsplanung. Wie so oft liegt der Teufel im Detail. Der Erfolg hängt davon ab, wie gut Unternehmen den hybriden Ansatz praktisch umsetzen und wie sie ihre Daten dabei handhabbar, sicher und steuerbar halten.
Neben etablierten Architekturen wie dem Data Lakehouse setzen viele Unternehmen laut BARC-Forschung zunehmend auf Konzepte wie Data Mesh und Data Fabric, um Governance über verteilte Systeme hinweg zu verbessern. Dazu gehören auch der Einsatz von Datenkatalogen und Data-Intelligence-Plattformen sowie der Wandel zu Daten als steuerbare Datenprodukte. Diese Frameworks erweitern die Möglichkeiten, bringen aber auch neue Herausforderungen bei der operativen Umsetzung mit sich.
Die entscheidende Frage lautet daher nicht mehr, ob ein hybrider Ansatz notwendig ist, sondern wie Unternehmen ihn umsetzen können ohne Agilität zu verlieren oder unnötige Komplexität zu erzeugen.
- Welche Daten verbleiben im eigenen Rechenzentrum?
- Wie lassen sich Sicherheit und Governance über unterschiedliche Umgebungen hinweg konsistent gestalten?
Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines BARC-Webinars. Die praxisnahen Erkenntnisse zu hybriden Strategien, zur Rolle regionaler Cloud-Anbieter und zur Umsetzung des Datenprodukt-Konzepts sind in einem weiterführenden Artikel für BARC+ Abonnenten verfügbar – inklusive Aufzeichnung des Webinars und ergänzender Materialien.